Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft katholische Polizeiseelsorge in Münster 13.-16. Mai 2024

Michael Hartmann, der Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft katholische Polizeiseelsorge führte durch die Mitgliederversammlung mit der traditionell die Bundestagung beginnt. Es gab Informationen zur Situation der Polizeiseelsorge, zur Arbeit des Vorstandes und der Geschäftsstelle und zur 2025 geplanten Polizeiseelsorgewallfahrt nach Umbrien (Assisi, Siena, Florenz).

Dr. Michael Arnemann, Polizeiseelsorger des Bistums Münster und Ethikdozent der DHPOL in Hiltrup erläuterte das Programm der Tagung.

Sie steht unter dem Thema: "In Zukunft (fast) alles anders? - Polizeiseelsorge im Wandel"

Ein Wandel wurde bei der Begrüßung der Neuen am Beginn der Tagung bereits deutlich, denn es gibt in der katholischen Polizeiseelsorge immer mehr Frauen. Das war früher nicht so; das war früher nicht denkbar.

Morgen geht die inhaltliche, die thematische Arbeit los mit dem Vortrag von Professor Dr. Detlef Pollack zum Thema: „Wie heute von Zukunft reden?“.

Ein spannender Blick nach vorne; steht doch die Tagung auch unter dem Motto: 100 Jahre Polizeiseelsorge im Bistum Münster.

14.05.2024

Die Zukunft von Kirche und Religion in Deutschland, Detlef Pollack, Seniorprofessor am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Universität Münster

Prof. Pollack gab ein Fazit schon vorneweg: Es steht nicht gut um die Kirche, es steht nicht gut um die Kirche. Die Kirche(n) sind sehr von äußeren Einflüssen abhängig und haben manches nicht wirklich selbst in der Hand.

In Untersuchungen (2022) wurde festgestellt, dass das Verbundenheitsgefühl mit der Kirche in der evangelischen und katholischen Kirche nicht sehr unterschiedlich ist. Das ist darauf zurückzuführen, dass das Verbundenheitsgefühl mit der katholischen Kirche sehr stark zurückgegangen ist.

Das Vertrauen in die katholischen Kirche ist dramatisch zurückgegangen. In der Gesamtbevölkerung von 1984 bis 2022 von 42 auf 9%. Innerhalb der katholischen Kirche von 62% auf 24%.

80% der Bevölkerung haben dagegen Vertrauen in die Polizei.

Wenn Verbindung zur Kirche geäußert wird, dann ist diese auf der örtlichen Ebene angesiedelt. Je weiter weg die Ebene ist, desto weniger fühlen sich die Personen verbunden.

1950 gehörten den beiden christlichen Kirchen 95% der Bevölkerung an.

2022 gehören noch ca. 50% der Menschen in Deutschland den christlichen Kirchen an.

Die Rückgänge sind allerdings viel drastischer bei den evangelischen Kirchen, als bei den Katholiken. Das hat sich erst seit 2020 verändert. Ab 2020 sind mehr Menschen aus der katholischen, als aus der evangelischen Kirche ausgetreten.

Ein Faktor sind die Austritte, aber wichtig sind auch die geringeren Taufen, Firmungen und Konfirmationen.

Auch weltweit gehen die Zahlen zurück. Allerdings gibt es Unterschiede in manchen Ländern – besonders in Skandinavien. Der Rückgang der Mitglieder heißt nicht immer Rückgang des Vertrauens.

Auch der Glaube an Gott geht von ca. 90% auf ca. 50% zurück. Diese Entwicklung ist auch weltweit zu beobachten.

Die familiäre Sozialisation ist sehr wichtig. Auch die Gewohnheit, die Tradition. Nach Corona ist die Gewohnheit beispielsweise abgebrochen.

Wichtig ist die Diakonie. Gutes für Bedürftige zu tun, oder zu unterstützen.

Die Hochengagierten machen gute Erfahrungen mit der Kirche, aber es gibt immer weniger, die das wahrnehmen. Das öffentliche Erscheinungsbild der Kirche ist viel schlechter.

Je mehr religiöse Angebote es gibt (unterschiedliche Religionen und Kirchen), desto mehr werden die Geltungsansprüche relativiert.

Geschlossene Weltbilder stoßen heute kaum noch auf Akzeptanz.

Was könnte man/frau tun?

Die positive Stimmung doch noch Vieler sich als religiös zu verorten (Glaube an eine höhere Macht) besser nutzen.

Nicht nur auf die familiäre Sozialisation zu setzen, sondern andere Angebote zu machen beispielsweise Jugendarbeit.

Ehrenamtliche machen gute Erfahrungen in der Kirche – diese besser nutzen.

Der Mittag stand unter dem Zeichen des Besuchs der Villa ten Hompel. In der Villa eines Fabrikanten, die dann Sitz der (Ordnungs)Polizei gewesen ist und später das Amt für Wiedergutmachung beherbergte ist heute eine Ausstellung. Seit fünfundzwanzig Jahren setzen sich an diesem historischen Ort Menschen mit geschichtlichen und aktuellen Themen auseinander zwischen Gewaltgeschichte, Erinnerungskultur und Demokratieförderung.

Eindrücklich wird hier an Dokumenten und mit Bildern gezeigt, dass nicht nur die SS und die SA, sondern auch die Ordnungspolizei an den Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligt war. 62% der Holokaustopfer starben unter Mitwirkung der deutschen Ordnungspolizei. Von ihr wurden Ghettos und Lager bewacht, von ihr wurden Menschen drangsaliert und bei Einzel- oder Massenerschießungen ermordet, oder in die Vernichtungslager deportiert. Von der Ordnungspolizei wurden Menschen in Schutzbunker gelassen, oder davon abgehalten. Es durften nur die arischen Mitglieder der Gesellschaft eintreten.

In der Aufarbeitung und Entnazifizierung wurden viele Augen zugedrückt. Es wurde erklärt, dass die Polizisten nicht anders konnten.

In einem Podiumsgespräch wurde erörtert, ob wir heute so weit weg von solchen Mechanismen sind? Was langfristig helfen kann ein Bewusstsein und eine Haltung für das Überschreiten von roten Linien zu bekommen. Wir erleben gerade ja eine Verschiebung von bisher nicht „sagbarem“.

Es war die Frage wie lange solche Eindrücke (Besuche von Geschichtsorten) nachhalten.

Viele Teilnehmer gingen tief bewegt zum gemeinsamen Gottesdienst mit Weihbischof Wolfgang Bischof in der Petrikirche.

Am Abend gab es noch Führungen durch die Krimistadt Münster (mit Börne und Thiel und Wilsberg, Ecki, Overbeck und Anna) oder mit einem Nachtwächter.

15.05.2024

Ethik als Problem, Tun und Thema der Polizeiseelsorgenden

Professor Tobais Trappe

In der Selbstverständlichkeit des Vorkommens der Seelsorge in der Ausbildung der Hochschule verliert die Seelsorge die Funktion der Irritation.

Durch die Präsenz der Seelsorgerinnen und Seelsorger stellt sich die Frage nach den Grundfragen des Lebens – ganz automatisch.

Prof. Trappe formuliert den Eindruck, dass das Potential der Seelsorge in der Berufsethik nicht voll ausgeschöpft wird.

Was ist das, was die Seelsorge der Ethik mitgeben kann, was diese so nicht artikulieren kann.

Prof. Trappe formuliert eine enorme Schwierigkeit: Was die Identität der Seelsorgerinnen und Seelsorger ausmacht darf doch in der Ethik nicht vorkommen.

Ethik betont unter Umständen nochmals Dinge, die in anderen Fächern schon oder auch besprochen wurde – Traumatisierungen in Psychologie beispielsweise.

Es gibt einen Widerspruch zwischen der gelehrten Ethik und der Wirklichkeit der Ethik. Ethik ist für Prof. Trappe ein Feld, in dem wir gar nicht so viel bewirken können.

Polizei sieht Seelsorge in ihrer lebensdienlichen, herrschaftsstabilisierenden Funktion und als seelische Eigensicherung.

Werte werden zu einem Religionsersatz.

Ethik ist nicht nur Lerninhalt für Seelsorger, sondern mehr und kann sich für Seelsorger nicht darauf beschränken. Ethik ist Beziehung zwischen Menschen. Sie muss die Personalität mit einbeziehen.

Seelsorge ist immer auch die unbequeme, gefährliche Erinnerung daran, dass der Mensch sich von sich selbst distanzieren kann und im Geheimnis Gottes steht.

Ethik der Seelsorge hat ein elementares Interesse an Subjekthaftigkeit und Personalität des Menschen und ein klares Bewusstsein für die Gleichheit des Menschen.

Die Berufsethik durch die Seelsorger und Seelsorgerinnen hat eine desillusionierende, entzaubernde Funktion, die Funktion der Entgötzung der Macht, der Mythen der Guten, der Rechthabenden und Recht behalten müssenden. Gegen die Faszination des besonders Herausragenden.  

Ist doch das Leben, auch das Berufsleben eines Polizisten und einer Polizistin, ganz wesentlich unspektakulärer Alltag. Auf diesen gilt es vorbereiten.

Zum Polizeiberuft gehört wohl der Verlust eines natürlichen Vertrauens in die Welt und die Menschen dazu. Menschenverachtung und Menschenfeindlichkeit sind dem Polizeidienst immanente Versuchungen.

Dagegen steht die Haltung der Polizeiseelsorger von der Gleichheit und Gottebenbildlichkeit aller Menschen; von der vorbehaltlosen und voraussetzungslosen Liebe.

Es gibt eine funktionalistische Werteethik in der Polizei. Prof. Trappe ist skeptisch angesichts von Wertediskussionen, -prozessen; wir hatten schon einmal einen Wertestaat; allerdings waren das entsprechende Werte: Ehre, Disziplin, Gehorsam, … Und einen solchen Staat wollen wir nicht mehr.

Die Subjekthaftigkeit des Menschen ist bei der Polizei nicht wirklich gewollt. Es geht darum Nachwuchs zu bekommen; funktionierendes Personal zu haben.

Bei der Thematik des Überbringens von Todesnachrichten hat die Seelsorge darauf hingewiesen, dass es nicht nur um die Angehörigen geht, sondern auch um die Erfahrung der eigenen Ohnmacht des Polizeibeamten, der Polizeibeamtin.

Haltung. Macht. Sinn.

Eine Einladung zur Selbstreflexion.

Vorstellung der Wertearbeit beim PP Münster

Alexandra Füchter, Kriminaldirektorin

Im September 2020 ist eine Dienstgruppe der Polizei NRW (Essen) als rechtsradikal und antisemitisch aufgefallen. Es wurde eine BAO zur Ermittlung gegen die Kolleginnen und Kollegen eingerichtet.

Das hat eine große Verunsicherung hervorgerufen.

Auftrag ein Projekt der Selbstreflexion der Beschäftigten zu erreichen.

Möglichst alle Beschäftigten des PP Münsters sollten erreicht werden. Vorwurfsfrei und ohne erhobenen Zeigefinger. Es sollten Informationen verbreitet werden und Emotionen ansprechen.

Es sollte keine Konkurrenz zum Konzept der Extremismusbeauftragten entstehen.

Ein Problem dabei war, dass die Pandemie kam.

Frau Füchter fiel ganz deutlich der Unterschied im Eid zu Weimarer Verfassung auf. Im Eid wird gefordert das Grundgesetz nicht nur zu kennen, sondern das Grundgesetz zu verteidigen.

Die Frage war wieso Menschen, die voll Engagement und Motivation, voll Berufung zum Polizeidienst kommen solche Dinge zustande.

Es entstand die Idee eine digitale Ausstellung zu machen.

Die Frage war: wie erreichen wir die Menschen in unserer Organisation? Es gibt einen Überfluss an Informationen.

Je mehr die Kampagne um Werte von oben kommt, desto schwieriger wird es/ist es. Die Frage ist aber wie Werte in einer Organisation implementiert werden können.

Es ist wichtig, dass die Polizei, dass Gruppen in der Polizei und die Einzelnen ihre Haltung immer wieder überprüfen.

Es könnte helfen, dass Kolleginnen und Kollegen, die schon länger bei der Polizei sind, bei Vereidigungen mit dabei sind, um sich an ihre eigene Vereidigung zu erinnern.

Seelsorger sind für Frau Füchter Menschen mit Expertise für Krisen und emotionale Ausnahmesituationen. Sie sind wichtig für die einzelnen Menschen und die Organisation. Und sie bleiben und werden wichtig, da die Krisen nicht nachlassen werden.

Die Kampagne ist erreichbar unter: https://muenster.polizei.nrw/haltung-macht-sinn

Weitere Bilder


62 Prozent


Alexandra Füchter


Polizeiseelsorgerinnen - Frauenpower


Wilsbergs Antiquariat


Prof. Detlef Pollack


Begrüßung neuer Seelsorgerinnen und Seelsorger


Verabschiedung verdienter Polizeiseelsorger


Professor Trappe


Geschäftsführer Michael Hartmann leitet die Mitgliederversammlung


Villa ten Hompel

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Spruch des Tages

„Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“ Joh 8, 11

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