Bundestagung der katholischen Polizeiseelsorgerinnen und Seelsorger

die diesjährige Tagung hat begonnen - online

Um die Tagung nicht wieder - wie letztes Jahr coronabedingt - absagen zu müssen wurde sie virtuell geplant. So konnte sie stattfinden.

Und so konnte Weihbischof Wolfgang Bischof, der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die Polizeiseelsorge in der Bundespolizei und den Länderpolizeien, die knapp 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus München begrüßen.

Er bedankte sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das Interesse auch trotz des anderen Formates mit dabei zu sein und bei Torsten Thiel, der die Tagung federführend vorbereitet hat und Joachim Michalik, der mit Torsten Tiel die Tagung leitet.

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Erster inhaltlicher Punkt der Tagung war ein Blick auf die Bibel durch Dr. Christian Schramm, Dozent für theologische Bildung im Bistum Hildesheim.

Er legte dabei den Schwerpunkt auf die mythischen Erzählungen der Schöpfung, vom Paradies, von Kain und Abel und der Sintflut.

In der Bibel wird beschrieben, dass Menschen Böses erleiden, aber auch Böses tun. Das Böse ist in der Bibel sehr präsent. Auch durch die Bibel wurde Böses getan und wird immer wieder Böses getan.

Die mythischen Geschichten der Bibel thematisieren, dass es das Böse in der Welt gibt, dass es in der Welt bleibt. Schon ganz am Anfang wird erzählt, dass Gott das Chaos, das Böse ordnet, dass er es bändigt. Er merzt es nicht aus. Durch den sogenannten Sündenfall, kommt nicht das Böse in die Welt, sondern die Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Das Böse aber, das ist die Grunderfahrung der Menschen und die Schilderung der Geschichten, endet in dieser Welt nie. Und das obwohl wir für das Gute kämpfen. Das ist ja immer wieder auch ein Dilemma der Polizistinnen und Polizisten.

So lange wir in dieser Welt leben müssen wir akzeptieren, dass es das Potential zum Bösen gibt. Das muss zu einem Teil ausgehalten werden. Und trotzdem ist es wichtig für das Gute zu kämpfen und dafür einzutreten, dass es die Oberhand gewinnt.

Es ist aber wichtig zwischen der Tat und dem Täter zu unterscheiden. Das tut Gott auch. Er tötet Kain nicht, als der Abel erschlagen hat; Noah und seine Familie überleben die Sintflut.

Die letzte Überwindung des Bösen gibt es erst in der Endzeit. Hier ist wieder wichtig, dass auch hier das Böse nicht personalisiert wird. Das Böse wird nicht mehr getan. Und nicht der Böse, der Feind ausgemerzt. Die Schlange wird nicht vernichtet, sondern Kind und Schlange, oder Wolf und Schaf spielen friedlich miteinander (vgl. Jes.)

Aus der Bibel können wir ableiten, dass wir in der grundsätzlich sehr guten Schöpfung Gottes leben. Gott schaut nach der Schöpfung auf sein Werk und sagt, dass es sehr gut ist. Wir sind aufgefordert uns in dieser Schöpfung zu positionieren zwischen Gut und Böse. Diese Spannung von Gut und Böse ist überall – in der Welt und auch in jedem von uns.

Polizeiarbeit heißt, dass ich dem lebensfeindlichen entgegentrete. Wenn ich aber Gerechtigkeit, Sicherheit, Werten zum Sieg verhelfen will, dann begegne ich immer wieder auch dem Bösen.

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Eine wichtige Perspektive auf das Thema des Bösen – den Blick auf das Böse in den eigenen Reihen - wurde von Jutta Menkhaus-Vollmer eingebracht. Sie ist seit fast 10 Jahren Präventionsbeauftrage im Bistum Hildesheim.

Auch wenn es für viele ein leidiges Thema ist, dürfen wir nicht nachlassen uns mit dem Thema sexualisierte Gewalt zu beschäftigen und sensibel zu bleiben. Bei allem Erschrecken über die Vergangenheit und der wichtigen Aufarbeitung ist die Kirche, sind kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute informierter und sensibilisierter für diese Themen.

Nach wie vor ist sexueller Missbrauch kein Randphänomen – weder in der Gesellschaft, noch in der Kirche. Somit gibt es für Kinder und Jugendliche keinen Bereich, der wirklich sicher ist; in dem sie nicht sexualisierter Gewalt ausgesetzt sein können. Sexueller Gewalt ausgesetzt zu werden ist nach wie vor ein Grundrisiko einer Kindheit in Deutschland. (Ganz zu schweigen von anderen Ländern.)

Besonders dramatisch war und ist, dass auch Männer Gottes dieses Böse in die Welt gebracht haben.

Wichtig ist, dass kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu stehen, dass in ihrer Organisation solche Dinge geschehen. Das ist schmerzlich und schier nicht auszuhalten, aber es geht nicht sich nur auf juristische Spitzfindigkeiten zurückzuziehen, oder strukturelle Bedingungen nicht anzuschauen und gegebenenfalls zu verändern.

Jeder/Jede muss hinschauen. Die Achtsamkeit muss präsent gehalten werden.

Ziel ist, dass die Kirche ein Ort wird, in dem im besten Falle sexualisierte Gewalt nicht (mehr) vorkommt und/oder an dem über grenzverletzendes Verhalten angemessen, offen geredet wird und werden kann, in dem die Opfer geschützt und unterstützt werden und nicht die Täter.

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Prof. Dr. Jürgen Manemann brachte als Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie in Hannover eine philosophisch-theologische Sicht in die Überlegungen und Diskussionen ein.

Es ist gar nicht so einfach sich mit dem Bösen zu befassen. Das würden wir lieber vermeiden, denn das verlangt uns viel ab.

Das radikal Böse ist ein Angriff auf das gemeinsame Menschsein. Es ist nicht ein Angriff auf eine Moral.

Um zu beschreiben, zu distanzieren, aber auch um sich dagegen zu solidarisieren wird diabolisiert. Da gibt es dann Monster, Sadisten und Teufel. Aber Diabolisierungen erklären nicht. Wir schließen von der Tat auf die Täter. Ein Zirkelschluss, der nicht weiterhilf.

Aus der Geschichte der Genozide und aus anderen Zusammenhängen wissen wir, dass die meisten Täter keine Monster waren, sondern Nachbarn; recht normale Menschen. Menschen wie du und ich.

Das Schwierige ist und bleibt, dass gewöhnliche Menschen am Bösen mitgewirkt haben und weiter daran mitwirken.

Der überwiegende Teil der Täter tut das Böse nicht aus Überzeugung, sondern aus Gedankenlosigkeit. Manemann griff dabei wesentlich auf Gedanken von Hannah Ahrendt zurück.

Böses wird getan, weil andere Dinge verlangt haben. Ich habe nur Befehle ausgeführt. Weil sich Parallelwelten im Denken bilden. Auch Parallelwelten der gewollten Ahnungslosigkeit.

Das heißt aber, dass das Böse keine eigenmächtige Kraft oder Macht ist. Es ist Ergebnis menschlichen Tuns. Es ist privatio boni – Mangel an Gutem. Das Böse geschieht, wenn wir versagen zu denken, wenn wir das Gute nicht tun, wenn sich das Gute entfernt.

Oder das Böse ist perversio boni - Perversion des Guten. (Versuche am Menschen, um angeblich Menschen zu helfen.)

Besonders geschlossene Gruppen können eine Binnenkultur entwickeln, in denen die Selbstreflexion, das Selbstgespräch, das Denken nicht mehr wirklich stattfindet.  Das Böse resultiert aus vielfältigem Unterlassen.

Das gilt natürlich auf für die Polizei. Die Gruppe ist Gefahrengemeinschaft; Polizistinnen und Polizisten müssen schnell und effizient handeln, schnell urteilen, sie müssen funktionieren und da geschieht es schnell, dass nur schwarz und weiß gesehen wird, dass das Selbstgespräch vernachlässigt wird. Aber ohne Selbstgespräch keine Moral.

In den Menschen gibt es verschiedene Selbs. Es kommt zu einer sogenannten Doppelung oder Spaltung. (nicht im Sinne einer krankhaften Schizophrenie)

Das erste Selbst weigert sich Schuld auf sich zu nehmen, betrügt sich selbst.

Das Dilemma ist, dass ich den Täter nicht loswerden kann, ich bin dazu verdammt mit ihm zu leben.

Jeder von uns ist anfällig für das Böse.

Helfen das Gute zu tun und das Böse zu lassen kann gelingen, wenn wir auf den Sokratischen Rat hören: es ist besser Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun. Und/oder davon auszugehen, dass der/die Andere verwundbar ist (wie wir selbst).

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Der zweite Tag.

Prof. Dr. Thomas Bliesener, Leiter des kriminologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen, ging in seinem Vortrag auf dissoziales Verhalten ein, das durch frühkindliche Entwicklungen entstehen kann.

Wichtig ist ihm, dass einzelne Risikofaktoren zwar die Wahrscheinlichkeit für Störungen erhöhen und dass diese Risikofaktoren auch benennbar sind und damit auch minimiert werden können, aber dass es keine Notwendigkeit dissozialen Verhaltens gibt.

Kinder sind relativ robust und können einzelne Risikofaktoren ausgleichen und überwinden. Die Risikokumulation ist problematisch.

Zu den Risikofaktoren gehören genetische und biologische Faktoren. Zum Beispiel Substanzmissbrauch der Mutter wie Alkohol, Tabak und Drogen, aber auch Geburtskomplikationen wie Unterversorgung mit Sauerstoff. Vergiftungen und durch Mangelernährung ausgelöste Störungen gehören ebenfalls zu diesem Bereich.

Soziale Faktoren sind beispielsweise gewalttätige Erziehungshandlungen, gewaltsame Ehekonflikte oder Trennungen mit hoher Konflikthaftigkeit. Geringe Beaufsichtigung der Kinder (bspw. nur vor dem Bildschirm) oder inkonsistentes Erziehungsverhalten können gravierende Auswirkungen haben. Allerdings geht es hier nicht darum, dass Mama und Papa unterschiedliche Ansichten oder Erziehungsstile haben, sondern um Unberechenbarkeiten einzelner Personen.

Große Auswirkungen hat das Fehlen einer Orientierung an Normen. Hier geht es nicht in erster Linie darum welche Normen das sind, sondern dass überhaupt Normen vermittelt werden.

Zu den psychologischen Faktoren, die Entwicklungen prägen, gehört der Bindungsstil Eine unsichere vermeidende Beziehung führt unter anderem auch zu weniger Erziehungsmöglichkeiten. Die sichere Bindung, die hilft muss nicht zwangsläufig zu den Eltern bestehen. Sie kann auch zu anderen Personen aufgebaut werden.

Kinder mit hoher Impulsivität, mit geringer Rhythmizität, mit einer geringen Impulskontrolle und geringem Planungsverhalten brauchen mehr Erziehung und damit kompetentere Eltern. Wenn sie diese nicht haben, besteht ein höheres Risiko, dass sie dissoziales Verhalten entwickeln.

Daraus leite sich ab, dass es Schutzfaktoren gibt. Sichere, emotionale Bindung an eine zuverlässige Person, Empathie,  Erkennen von Sinnhaftigkeit, positive Bewältigungserfahrungen, ein autoritativer Erziehungsstil (nicht autroritär), der unterstützend und bestimmend zu gleich ist.

Risikokumulationen können und sollen vermieden werden. Damit könnten mehr Kinder weniger dissoziales Verhalten zeigen.

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Gerlind Kirchhof, Einsatzpsychologin des Bundespolizeipräsidiums Potsdam referierte über die Belastungen und Entlastungsmöglichkeiten der polizeilichen Sichtung von (Kinder-)Pornographie. Ein besonderes Arbeitsfeld, in dem Polizistinnen und Polizisten dem Bösen begegnen.

Was verursacht die Konfrontation mit dem (kinder-)pornografischen Material bei den Polizistinnen und Polizisten? Frau Kirchhof hat dazu Untersuchungen in der Polizei gemacht, die sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern referiert hat.

Das ist ein Arbeitsbereich in der Polizei, der mehr als andere belastet, wie Untersuchungen zeigen.

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Was macht aus Polizistinnen und Polizisten Massenmörder?

Dr. Dirk Götting zeigte in seinem Vortrag: Wenn Polizistinnen und Polizisten zu Täterinnen und Tätern werden auf was dazu führt bzw. geführt hat.

Polizistinnen und Polizisten wollen doch eigentlich helfen, wollen für andere da sein, Schwachen helfen, Gutes tun. Das war nach dem Kaiserreich so. Im Kaiserreich war die Polizei noch Herrschaftsinstrument. In der Weimarer Republik aber wird eine neue Polizei geformt. Die Polizei wird vom Militär getrennt. Polizei wird ein richtiger Beruf. Es entstehen die Polizeischulen.

Die Polizei wird zum Freund und Helfer.

Doch dann kam die Finanz- und Weltwirtschaftskrise. Sie wurde in Deutschland zu einer politischen Krise. Nach den Neuwahlen gewinnen 1930 die linken und rechten Flügel. Heinrich Brüning (Zentrum) möchte mit der Krisenverordnung regieren – als Präsidialregierung – und das wird ihm von Hindenburg gewährt. Die Nationalsozialisten können die Krise für sich am Besten nutzen.

Die Rechtsextremisten wollen immer das Innenresort um Zugriff auf die Polizei zu erlangen und gegebenenfalls das Bildungsministerium.

Dirk Götting erklärt den Aufstieg der Nationalsozialisten und Adolf Hitlers. Und wie Hermann Göring dann das Innenministerium Preußens übernimmt. Er macht den SA Führer zum Polizeipräsidenten. Vorher war die Polizei noch gegen die SA vorgegangen. Das Antiterrorgesetz aufgrund des Reichstagsbrandes zum Schutz von Volk und Staat etabliert dann die Macht.  

Di Polizei wird zu einem Machtinstrument. Die Polizei ist noch Freund und Helfer, aber nicht mehr für die einzelnen Menschen, sondern für die Volksgemeinschaft. Wer drin ist, der wird geschützt; wer draußen ist, der genießt keinen Schutz.

Die Polizei bestellt jüdische Bürger ein, kaserniert sie, bewacht sie.

Und weil es immer mehr Personen sind, wird der Platz knapp.

Friedrich Pradel ein hannoveraner Polizeibeamter, sollte dann Vergasungswagen konstruieren. Mit einem Hebel wurden die Autoabgase ins Innere geleitet, um die Leute zu töten. Getarnt als Krankentransporter. Die Arg- und Wehrlosigkeit der Menschen wurde ausgenutzt.

Später gefragt, warum er das getan hat, sagte er, dass das eine humanere Hinrichtungsart sein sollte. Für wen humaner? Für die Mörder. Das Morden sollte für die Mörder erträglicher zu machen.

Am Anfang soll er kurz gezögert haben, als er den Auftrag erhalten hat, aber unter Druck gesetzt, hat er ihn angenommen und war später sogar stolz darauf ihn gut umgesetzt zu haben.

Die Polizei wird dann maßgeblicher Teil des Holokaust.

Was heißt das für die Polizei, für uns heute?

Die Lehre heißt, dass die Polizei nie wieder Teil einer verbrecherischen Regierung wird, dass die Polizei ein demokratisches Selbstverständnis hat und stärkt.

Polizeischutz für die Demokratie ist auch immer Selbstschutz für die Polizei!

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Im Rahmen der Bundestagung begrüßte der Hildesheimer Ortsbischof Heiner Wilmer SCJ und der Minister für Inneres und Sport Boris Pistorius des Landes Niedersachsen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Sie brachten beide ihre Wertschätzung gegenüber der Arbeit der Polizeiseelsorge zum Ausdruck und bedauerten, dass sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht persönlich in Hildesheim begrüßen konnten.

Beiträge zum Land, zum Bistum Hildesheim, oder zum Dom lockerten die Tagung immer wieder auf.

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Dr. Christian Schramm


Dr. Dirk Götting


Prof. Dr. Thomas Bliesener


Joachim Michalik / Torsten Thiel


Weihbischof Wolfgang Bischof


Jutta Menkhaus-Vollmer


Prof. Dr. Jürgen Manemann

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„Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Mt 18, 20

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